Bevor es los geht muss ich diese Zeilen noch einfügen. Es ist ein langer Bericht geworden, aber es war ja auch der längste Tag im Jahr. Jetzt wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen und freue mich auf euer Feedback.
Das Projekt zum erneuten Start bei der Challenge Roth wurde durch die pandemiebedingte Absage 2019 und den Traum zusammen mit Manuel Liebenow an der Startlinie zu stehen geboren. Mit der nötigen Portion Glück war der Startplatz im Rahmen der Nikolausaktion sogar doppelt gesichert. Von Beginn an war klar, wenn ich in Roth starte, will ich den Weg mit Ute gehen, da es für mich keinen besseren Coach gibt. Ute hat das Know-how, Fingerspitzengefühl und mehr Kenntnisse über mich als ich selbst um mich perfekt auf den langen Tag einzustellen.
Die Vorbereitung lief insgesamt gesehen gut, war mit 2019 zu vergleichen und stimmte optimistisch für den längsten Tag im Jahr. Als das Hygienekonzept veröffentlich wurde, war klar, dass es in diesem Jahr nicht sein wird wie gewohnt am Schwimmstart zu campen, aber mit dem erneuten Quäntchen Glück kamen wir in einem Gasthof in Allersberg unter. Nach der stressigen Anreise am Freitag incl. Startunterlagenempfang „just in time“ stellte sich eben diese Unterkunft als perfekt heraus. Man ist schnell an allen Event Locations hat aber den nötigen Abstand zum Abschalten und noch dazu eine gute Küche. Ein Grund mehr, dass dieses Jahr einfach perfekt wird.
Manuel war mit seiner Familie auch hier untergekommen, dies nutzten wir nicht nur zur gegenseitigen Nervenberuhigung, sondern auch um am Samstag die Lauf- und Radeinheit gemeinsam zu bestreiten. Selbst diese letzten Einheiten um die Muskeln zu aktiveren, Material zu checken und Nerven zu beruhigen hat die ganzen Erwartungen bestätigt. Gegen Mittag konnte ich noch kurz mit Ute den Rennablauf besprechen und letzte Fragen klären, bevor die gemeinsame Radabgabe folgte. Einer gemütlichen Runde am frühen Nachmittag schloss sich ein lockerer Ausklang des Tages an um alle Akkus vollständig zu laden.
Der Renntag begann nach einer überraschend langen und guten Nacht mit der üblichen Nervosität und einem Gefühl von müden Beinen. Bevor die letzten Getränke/Verpflegungen und Material hergerichtet wurden, gab es noch ein leichtes Frühstück im Hotel. Radbeutel ablegen und in der Wechselzone alles anrichten für einen schönen langen Tag stand auf dem Plan. Der erste Startschuss war wieder einmal ein Highlight und die Nervosität damit nahezu verflogen. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich nicht mehr viel aufsaugen und war in einer Art Funktionsmodus. Pünktlich zum Schwimmstart war ich im Wasser und bereit alles zu geben. Da es mit der Startgruppe 12 eher „langsame“ Athleten um mich herum sind, schwimme ich direkt vorne mit weg, war der Plan. Bereits nach 800m musste ich feststellen, dass ich falsch lag und die 2. kleinere Gruppe ziehen lassen musste. Da war es an der Zeit mein eigenes Rennen zu starten, den Wasserschatten gab es heute für mich immer nur kurzzeitig. Es lief aber besser als erwartet bis zur ersten Wende, dann begann der Kampf mit mir selbst. Nach einem kurzen Krampfanzeichen im Oberschenkel kam die Übelkeit auf. Was mich allerdings überraschte waren die Hände, welche auf Grund von Karpaltunnelproblemen erst bei etwa 2000m taub wurden, hiermit habe ich deutlich früher gerechnet. Einen kleinen Schub im wahrsten Sinn gab es weitere 500m später als die Wasserwacht mit Ihrem großen Boot an mir vorbeieilte und ich auf einigen Wellen getragen wurde. Diesen Schub nutzte ich um positiv gestimmt Richtung Schwimmausstieg zu schwimmen, hierbei verdrängte ich soweit möglich die Übelkeit und versuchte mich auf die Technik zu konzentrieren und kleine Etappenziele zu setzen. Die Schwimmzeit war mit 1:11 Std. deutlich besser als nach den letzten Tests erwartet.
Die erste Wechselzone machte im Nachgang bereits klar, dass es ein gebrauchter Tag ist. Einen Neopren mit tauben Fingern auszuziehen wird zum Abenteuer. Als der Neopren und die Uhr zum Schwimmen (ach ja das habe ich vergessen – da 2019 meine Uhr Akkuprobleme hatte, habe ich mich entschlossen jede Disziplin mit separaten Uhren zu tracken) ausgezogen und im Beutel waren, wurde die Startnummer angelegt. Eine Helferin nahm mir den Beutel ab und ich eilte zum Rad. Jetzt kam vollkommen unerwartet diese Helferin hinter mir her und meinte ich habe meine Uhr vergessen. Als ich ihr erklärte, dass ich diese nicht mehr im Wettkampf benötige und im Beutel belassen habe, ging es los zur Radeinheit.
Diese Einheit begann mit sehr kalten 10km in denen ich mir immer wieder gewünscht habe die Weste aus dem Beutel doch lieber angezogen zu haben. Überrascht war ich zu diesem Zeitpunkt vor allem über den „vielen“ Verkehr auf der Strecke trotz der stark reduzierten Teilnehmerzahl. Dies brachte viele Überholvorgänge mit sich und so ging ich etwas zu schnell an. Der Gredinger Berg brachte mich dann endlich etwas runter und ich fand einen angemessenen Rhythmus. Die Verpflegung lief nach den guten Erfahrungen aus 2019 im identischen Maße, nur konnte ich damit die Übelkeit nicht bezwingen und bekam immer mehr Probleme mit dem Magen. Am Ende der ersten Runde waren diese dann bereits so „bedrückend“, dass ich es Tobi (unserem Betreuer an der Strecke mit direktem Draht zu Ute) mitteilte um darauf reagieren zu können. Es folgte die erste und überraschenderweise einzige Dixi-Pause am Ende der ersten Runde. Diese legte ich an einer Penalty-Box ab und alle Kampfrichter sprangen auf als ich ankam, aber als ich ihnen sagte, dass ich nur das Dixi benutzte, bekamen alle ein Lächeln auf die Wangen. Dann ab auf die 2. Runde welche deutlich härter und zäher wurde als die erste Runde. Erst kamen die aus 2019 bekannten Schwindelprobleme auf, was gerade bei höheren Geschwindigkeiten viel Energie raubt. Anschließend ging die Verpflegung aus und ich musste den Plan anpassen. Um es etwas abzukürzen, es waren richtig harte und zähe letzte 90min auf dem Rad, die Akkus waren leer, dazu Magenprobleme plus Schwindel. Das DNF war greifbar nahe, wenn nicht sogar schon im Kopf am festigen für die T2.
Trotzdem ging es weiter…
Ich kam überraschend gut und zügig ins Laufen. Zu diesem Zeitpunkt wäre ich mit einer 6:00min/km sehr zufrieden gewesen, konnte aber doch darunter bleiben. Die Anweisung von Ute kam über Tobi relativ schnell an mich herangetragen, Cola/Kekse/Salzbrezel an jeder Station zuführen um Energie zu bekommen. Die Verpflegungsstationen sind reichlich vorhanden und so ist es möglich den Marathon mit dieser Strategie zu beenden. An den Stationen habe ich mir immer reichlich Zeit genommen zum Verpflegen, dies beschreibt auch die Anekdote bei der 2. Verpflegungsstation als ich gemütlich gehend am Ende dieser ankam. Der Helfer teilte mir mit, dass ich nur während der Station gehen darf, worauf ich sagte, dass die Station erst an der letzten Mülltonne endete, worauf er erwiderte (O-Ton) „fang jetzt nicht an zu verhandeln“. Roth hat einfach die geilsten Helfer. Die ersten 10 km verliefen wie im Flug und waren extrem kurzweilig. Es gab einmal kurz bei KM 7 etwas Probleme mit der rechten Achillessehne/Wade. Kurz den Laufstil anpassen und weiter. Dann kam beim Durchlaufen der Lände der große Schreckmoment. Voll im Tunnel öffnete ich meinen Anzug und bemerkte erst einige Meter später, dass hierbei das Bild meiner Schwester (welches ich extra anfertigen ließ um ihr die erste Langdistanz zu ermöglichen) verloren habe. Glücklicherweise hat ein aufmerksamer Zuschauer dies bemerkt und als ich mich umdrehte um nach dem Bild zu suchen, kam er schon angerannt. Dann habe ich noch kurz einem Mitstreiter erklärt, dass ich kein Gel sondern das Wichtigste an diesem Tag verloren hatte und musste wieder den Flow finden. Im Hinterkopf hatte ich dann immer wieder, dass mir an diesem Tag bereits schon mehrfach der Akku ausgegangen war und dass mir dies trotz des neuen Verpflegungsplanes und dem guten Gefühl immer wieder passieren kann. Bis KM 24 etwa war es immer das gleiche Spiel, ich überhole die Athleten und diese überholen mich während meiner Gehpausen an den Verpflegungen wieder. Kurz vor Erreichen der Lände kommt der Hammer und dies ist vor allem mental bedingt. An dieser Stelle bin ich 2013 ausgestiegen und mir geht es körperlich ganz genau so wie damals. Der Körper ist ausgekühlt und ich bekomme nichts mehr rein, die Cola hängt mir zum Hals raus. Die Lände wird eine erste längere Gehpause, Tobi hat den Auftrag bekommen Ute zu fragen ob ich mich hinlegen darf.
Eine größere Gruppe Zuschauer, die ganz klar erkenntlich zusammen gehören, treiben auch mich wieder an Geschwindigkeit aufzunehmen, bevor ich im Waldstück nach der Lände nicht mehr auf Utes Antwort warten wollte und mir eine Pause am Streckenrand gönnte. Übergeben ging nicht und da es mich tierisch nervte, dass gefühlt jeder Zweite fragte ob alles okay sei, was ja nur gut gemeint war und auch vollkommen richtig, stand ich auf und ging weiter. Tobi habe ich weggeschickt, obwohl er die Anweisung hatte da zu bleiben, aber mich die Anwesenheit gerade nervte. Natürlich konnte ich die Zuschauer und andere Betreuer nicht wegschicken und so kam es dazu, dass ein weiterer Betreuer sich mir annahm und mich so lange beredete bis ich wieder anfing zu joggen. Diesen Herrn habe ich zufällig nach dem Ziel nochmal gesehen und mich bei ihm bedankt.
Wir sind bei Lauf-KM 26 angekommen und ich bin wieder als Läufer unterwegs, da ich Abwechslung für die Geschmacksnerven benötige ergänze ich jetzt mit Suppe (heftig salzig), Melone und Erdinger Alkoholfrei. Immer wieder entdecke ich bekannte Gesichter am Streckenrand und durch den Namen auf der Startnummer fällt der Weg durch Roth bis zum Anstieg nach Büchenbach deutlich leichter. Ach ja, da fällt mir noch was aus Roth ein, eine Familie steht mit den Kindern im Garten und sie feuern alle Athleten an. Immer schön im Rhythmus nur leider in einem schnellen Beat, den kaum einer bei KM 30 noch laufen kann, dies wird freundlich mitgeteilt und zumindest solange ich es hören kann, nehmen sie etwa 20 Schläge im Tempo zurück. Wieder ein Lächeln im Gesicht geht es raus aus Roth. Der Anstieg nach Büchenbach wird in diesem Jahr zur Wanderroute und erst auf der Höhe kann ich wieder Joggen. Direkt am Ortseingang von Büchenbach KM 35 steht eine Frau mit Ihren Töchtern, die kleinste beschwert sich das ihre Füße/Beine weh tun. Ich drehe mich gut gelaunt zu ihr hin uns sage: „Keine Sorge bei mir tun die Beine auch schon weh“. Gelächter aller beflügelt mich und lässt den Schmerz kurz vergessen. Jetzt ist die Stimmung ganz klar auf dem höchsten Level an diesem Tag, schließlich ist das Finish so gut wie sicher.
Es folgte eine Absperrung der örtlichen Feuerwehr, welche sich die „Arbeitszeit“ mit Bier versüßt. Ich kann nicht widerstehen und bestelle eins für den Rückweg. „Sollen wir es direkt aufmachen?“ „Nein, so schnell bin ich nicht mehr!“. Die Seeumrundung hinter mich gebracht, ging es wieder in Richtung der Feuerwehrleute und im Augenwinkel sah ich schon wie einer von ihnen eine Bierflasche öffnete, Mist die haben es nicht vergessen. Fast wäre ich vorbei gekommen, aber dann hielten Sie mich doch an und nett wie ich bin, trank ich das halbe Bier. Leider stellte ich danach fest, dass es Weizen war und so musste ich etwas behutsam wieder anlaufen um mich nicht übergeben zu müssen. Als Tipp: das war eine dumme Idee und ist nicht zur Nachahmung empfohlen. Der Weg zurück nach Roth lief mit dem Schub aus Büchenbach richtig gut und verpflegen wollte ich nicht mehr, da die letzten km auch so gehen. Auf dem Marktplatz von Roth machte ich mit dem Fotograf noch ein schönes Bild um wenigstens eines zu haben. Denn mehr als 5km nicht mehr zu verpflegen und dann voll auf Anschlag zu laufen mit Heimweh, Rückenwind und hoch motiviert, da war ich mir sicher auf der Finishline nicht mehr so Fit auszusehen und nicht alles genießen zu können bzw. mitzubekommen. Kurz vor der letzten Kurve dachte ich nicht richtig zu sehen, da standen nicht nur die vermuteten Supporter, sondern auch noch 2 Schwestern und der Vater. Eine total verrückte Familie, leider war ich ziemlich offline und habe es gar nicht mehr genossen oder gar gewürdigt. Im Ziel musste ich mich erst einmal erholen und sammeln. Da meine Familie zuhause dies im Livestream verfolgte und die Kamera meine Pause drauf hatte hier noch der O-Ton meiner Tochter: „Der soll da nicht liegen. Wenn er müde ist, muss er ins Bett.“
Ich hoffe ich konnte euch ein bisschen teilhaben lassen an einem gebrauchten, langen Tag und ihr habt auch ein bisschen geschmunzelt.
Vielen Dank an Ute für die großartige Betreuung vor, während, nach dem Wettkampf, ebenso danke sagen möchte ich Tobi, der auf jeden Fall mehr geleistet hat als ich und einen super Job rund ums Rennen erledigt hat. Das Wichtigste ist die Familie und vor allem meine Frau, die es erst möglich macht so ein Event vorzubereiten und zu absolvieren, weil sie mir den Rücken freihält und viel zurückstecken muss, vielen lieben Dank.
DREAMS CAN NOT BE CANCELLED
MICHA