Nach einem vollen Jahr ohne Wettkämpfe, beinahe komplettem Wandel der Persönlichkeit, sehr wenig Training und viel Physiotherapie ist es nun am Morgen des 13.7. soweit um wie im vergangenen Jahr an den Schluchsee zu fahren. Meine Tochter hatte mich im vergangenen Jahr herausgefordert und auch deutlich geschlagen. Ich hatte mit 3 Stunden 7 und dem 3.letzten Platz in der Herren Konkurrenz beim Schwarzwald Cup 2018 mein definitiv schlechtestes Ergebnis bis dahin eingefahren und war damals dennoch sehr zufrieden, nicht aufgegeben zu haben.

Am heutigen Samstag sollte das anders laufen. Ich hatte mir schon Wochen zuvor vorgenommen ohne Uhr zu starten, und mich darauf zu konzentrieren dem puren Genuss zu frönen.

Am Abend zuvor hatten wir noch ein Familienfest mit Carbo Loading, sodass meine Tochter und ich bestens vorbereitet, unterstützt von unserem familiären Supportteam recht entspannt gegen 10:00 Uhr von Basel kommend die Serpentinen des Schwarzwalds zunächst mit dem Auto in Angriff nahmen. Die Anreise an sich ist schon spektakulär, aber wenn man dann die Wechselzone betritt und eincheckt wird man als Hobbysportler von dem hochgerüsteten Fuhrpark und den schrillen Accessoires  erneut kurzatmig.

Während des Einschwimmens im schönen Schluchsee ist uns das trübe und windige Wetter gar nicht aufgefallen. Da ich schon lange keinen Neoprenanzug mehr getragen hatte, stellte sich augenblicklich ein Gefühl von schweren Armen und Kraftverlust ein. Dies wurde glücklicherweise kompensiert durch den Auftrieb. Meine Tochter ist eine exzellente Schwimmerin und es ist immer wieder ein Vergnügen zu sehen wie sich diese recht kleingewachsene Person bei den 1 m Neunzig aufwärts Haien positioniert. Sie erntet hier nicht selten kritische Kommentare, die spätestens an der ersten Boje für nichtig erklärt werden. Für mich hingegen ist das geprügelt und getreten werden über die ersten fünfhundert Meter hinweg nicht lustig. Ein Sportkamerad mit ebenfalls abscheulichem Schwimm Stil war ganz vernarrt in mich und hat es sich zur Aufgabe gemacht mir bei jedem zweiten Zug gezielt auf den Kopf zu hauen oder ins Gesicht zu treten. Ähnlich wie in der Trauerbewältigung durchlebt man hier mehrere Phasen, von Unverständnis, über Aggression bis zum Gleichmut. Der kurze, aber gemeine Landgang wurde von mir genutzt um möglichst fotogen den Bauch einzuziehen und einen fokussierten Eindruck zu machen. Zu Beginn der zweiten Schwimm Runde habe ich dann meine feuerrote Bademütze verloren, sodass der mittlerweile überholte Schläger doch noch einen Erfolg für sich verbuchen konnte. Vor mich hin grübelnd, ob dies nun die Disqualifikation bedeute bin ich dann den Rest recht ruhig geschwommen, auch wenn ich bei den windigen Verhältnissen 2 mal grosse Portionen Seewasser verkostet habe. Dann kommt diese fiese Strecke aus dem See zur Wechselzone. Man läuft eine Art Rampe hoch, um dann durch eine Unterführung runter und gleich wieder hoch zu laufen, während man damit beschäftigt ist den Neopren von der Schulter zu pellen.

Im letzten Jahr bin ich beim ersten Wechsel mit dem Kreislauf eingebrochen und habe lange warten müssen bis ich mich aufs Rad hiefen konnte. Mit all meiner Erfahrung habe ich mich diesmal sofort auf den Hintern gesetzt und den Neo im Sitzen ausgezogen. Das sieht zwar unelegant aus, hat sich aber bewährt. Somit habe ich schneller gewechselt als meine beiden Nachbarn, obwohl mein Helm vom Lenker gefallen war und sich 3 Stell Plätze weiter links am Boden kullernd wieder gefunden hat. Endlich auf dem Rad, geht es sofort eine kurze steile Rampe hoch, gefolgt von einer 150 Meter Strecke mit Pflastersteinen. Spätestens jetzt ist man wach. Die darauffolgende recht lange Steigung ist dazu gedacht die Athleten mürbe zu machen, aber auch hier hat mir geholfen das ich nicht zum ersten Mal am Schluchsee war und ich mich voll auf hohe Kadenz und Kette links konzentrieren konnte. Mir war bereits vor dem Rennen klar, dass dieses Jahr die Kraft fehlt und ich nur mittels Erfahrung, Willenskraft und Selbstironie durchkommen werde. Also habe ich mich über beide Runden hinweg nicht provozieren lassen und bin ganz stoisch mein Tempo gefahren. Und das war gut so. Im Nachhinein habe ich einige Plätze während des Radsplits verloren, was mich ganz ausserordentlich motiviert für 2020. Auf den letzten 5 km konnte ich es dann doch nicht lassen und habe mit 2 Kollegen kleine Spielchen gespielt, bin aber nicht von ihnen los gekommen.

Der zweite Wechsel war gefühlt sehr geschmeidig, ich bin in die Laufschuhe geschlüpft und auch hier hochfrequent und mit kleinen Schritten losgestöckelt. UM hat mir einmal gesagt: Laufen kannst du! Ob es stimmt oder nicht, jedenfalls war es mein Mantra für diese anstehenden 4 Runden. Das Profil der Laufstrecke ist recht coupiert und angenehm abwechslungsreich. Die erste Runde war richtig schön, die zweite weniger, die 3. gar nicht und die 4. hat nur noch wehgetan, auch wenn ich mir nichts habe anmerken lassen und nach aussen sehr locker erschien.

Überglücklich bin ich getragen vom Applaus der Massen ins Ziel gestürmt und durfte dann noch den legendären Zieleinlauf meiner Tochter miterleben. Wir hatten zuvor vereinbart, dass der Gewinner, in Analogie zur Tradition Kienle Frodeno vom zweiten Sieger zum Eis eingeladen wird.

Ich freue mich schon sehr auf das kommende Jahr, dann wieder mit Uhr und kann allen Vereinsfreunden, die noch nicht am Schwarzwald Cup teilgenommen haben ans Herz legen diesen kleinen, aber recht anspruchsvollen und bestechend schönen Wettkampf auszuprobieren.

Mit sportlichen Grüssen, Stefan